Gibt es eine vernünftige Einstellung zur Pharma-Industrie? (Allgemeines)
Hallo Herr Weihe,
Danke für ihre ausführliche Antwort. Nur soviel vorab, ich schätze ihre reflektierte Meinung und (zumindest ich persönlich) versuche sie als "unwissenschaftlicher Kläffer" abzutun. Dennoch finde ich die Logik mit welcher sie ihren Standpunkt untermauern leider nicht völlig "logisch"
Da wäre zunächst der Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation:
Wenn ich zumindest die ersten zwei Aspekte ihrer Definition von "Profit durch Therapie" nehme: (1) Reduzierung Schübe (2) Weniger Ermüdung, dann reden wir über die Verbesserung von Symptomen von einer Krankheit die - nach meinem letzten Wissenstand - chronisch und unheilbar ist. Dann kann eine kausale Wirkung jeglicher Therapie, ob Bienenstiche oder Pharmamittel, auf den Verlauf einer MS unmöglich sein. Wir verändern ja nur eine Variabel (Immunantwort) im komplexen menschlichen Körper.
Da Kausalität per Definition entfällt, müssen wir nach Korrelation suchen. Eine doppelblinde, Placebokontrollierte Prüfung der Therapie mit primären Endpunkten (1) und (2) - siehe oben - liefert dann eine gewisse Sicherheit, daß nach erfolgreicher Prüfung und Zulassung eine Therapie zumindest bei manchen Patienten (1) und (2) liefern sollte. Nicht allen aber manchen.
Genau diese Vorgehensweise stellen sie aber in Frage, da sie ein kausales Verhältnis verlangen um selber überzeugt zu sein. Sie werden nunmal derzeit nirgends auf dieser Welt eine Therapie finden, von welcher auch "das letzte Drittel ihrer Patienten" profitieren wird. Sie stellen also nicht realisierbare Anforderungen an aktuelle Therapien um diese dann kategorisch abzulehnen und diejenigen die sie herstellen dazu.
Daher meine Frage, ob sie während ihrer Zeit als aktiver Neurologe nicht zumindest empirische Erfahrungen sammeln konnten. Da sie hier wohl weder einen Patienten hatten, der ihnen berichten konnte, dass er profitiert hätte, noch irgendwelchen ihrer Kollegen glauben, die ihren berichteten, dass ihre Patienten profitieren konnten, werden sie hoffentlich verstehen, dass ein neutraler Leser den Eindruck haben könnte, dass sie die Sache etwas einseitig sehen.
Das soll kein Urteil über sie (oder andere im Forum die womöglich ähnlich denken) sein. Bei einer unerforschten chronischen Krankheit ist die Bandweite der Meinungen breit. Es ist eigentlich Platz für alle da. Ich finde es nur Schade, dass es ein solches Lagerdenken gibt. Wir könnten uns doch einig sein, dass eine "profitabele" Therapie der Zukunft individuell ausgerichtet ist unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Alternativen. Oder?
Heute habe ich gelesen, das neues Behandlungszentrum für Krebskranke in den USA eröffnet wurde in welchem jeder Patient bei der Einweisung seinen persönlichen Rechner erhält, welcher ihm täglich neu seine optimale Therapie berechnet. Vielleicht gibt's ähnliche Möglichkeiten irgendwann in der Zukunft auch bei Krankheiten wie die MS.
P.S. Für ihre persönliche Patientendatenbank: Ich hatte in 16 Krankheitsjahren genau zwei heftige Schübe. Und zwar genau während zwei Therapiepausen. Nach ihrer Logik müsste das Zufall sein. Soviel Zufall müsste doch mathematisch eigentlich im Bereich eines Lotteriegewinns liegen..