Goldstein und Gestalttheorie (Allgemeines)

W.W. @, Mittwoch, 14.04.2021, 09:58 (vor 1105 Tagen) @ Boggy

Es ist schwierig, die Begriffe, oder genauer gesagt, die dahinter stehenden Konzepte, voneinander abzugrenzen. Ich müßte mich auch erst wieder genauer einlesen.

Ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile?! Dieser Satz wird der Gestaltpsychologie zugeschrieben. Ich habe damit schon immer Schwierigkeiten gehabt, nicht, weil das Behauptete so ungeheuerlich ist, sondern eher deswegen, weil ich mich frage: "Wie sollte es denn anders sein?"

Wenn Wasser erhitzt wird und der dabei entstehende Wasserdampf durch Röhren geleitet wird und Rädchen bewegt, dann haben wir eine Lokomotive oder eine Dampfmaschine vor uns, aber sie ist doch mehr als Wasser, das erhitzt wird und mehr als Räder, auf denen eine Kutsche rollt!

Und ein Wasserfall, der dazu benutzt wird, ein Wasserrad zu drehen und diese Bewegung dazu benutzt, Korn zu mahlen oder Baumstämme zu sägen, dieses Getriebe ist doch mehr als das strömende Wasser, das es bewegt.

Und die Photosynthese ist doch unendlich viel mehr als die Umwandlung von Sonnenschein in Gärung.

Mir war der cartesianische Gedanke, man müsse etwas Komplexes nur in seine Einzelteile zerlegen, um es zu verstehen, schon immer suspekt. Das Kind, das seine Lokomotive auseinandernimmt, wird besser verstehen, auf welche verborgene Weise sie von von einer gespannten Feder in Bewegung gesetzt wird, aber es wird sich nur dem Wunder annähern, um dann bewundernd innerzuhalten und zu sagen: "Darauf muss man aber erst einmal kommen, dass die gespannte Feder Energie speichert, die langsam wieder abgebaut werden kann!"

Das Wunder ist die zündende Idee, und an die kommt der cartesianische Ansatz nicht heran, abwohl er sich ihr nähert. Sie bleibt unbegreiflich oder zumindest schwer begreiflich, als müsse eine "göttliche Eingebung" über den Erfinder gekommen sein. Aber ich meine das natürlich nicht religiös, sondern nur dies: Das, was um uns herum ist, besteht eben nicht nur aus Einzelteilen, sondern aus Einzelteilen, die durch ein geistiges Band miteinander verbunden werden.

Kurz: Ich dachte schon immer, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. Auch der menschliche Körper ist mehr als eine Zusammenstellung von Leber und Niere und vielem anderen. Damit meine ich keine Abwertung der Gestaltpsychologie, dass sie z.B. etwas behauptet, was sowieso längst bekannt ist, sondern ich will eher darauf hinaus, warum wir so dumm sein konnten, dem Descarteschen Gedankengang zu folgen.

Das Ganze ist also - meiner Meinung nach - immer mehr als die Summe seiner Teile! Und das, was das Ganze zu einem funktionierenden Ganzen macht (wie z.B. der menschliche Körper), ist etwas, was in ihm zwar vorhanden, aber nicht greifbar ist. Ich würde sogar (mit Popper?) sagen, es sei etwas Geistiges.

Es könnte aber auch etwas sein, das etwas Geistiges vorgetäuscht wird, was in Wirklichkeit Hormone und Immunzellen sind. Aber dennoch würde ich vermuten, dass es etwas Geistiges geben muss, das alles zu einem funktionierenden Ganzen zusammensetzt. Ist das der Goldsteinsche Gedanke?

Damit haben mich meine Gedanken in ein Gestrüpp von Gedanken hineingezogen wie in einen Sumpf, aus dem ich keinen Ausweg finde.

W.W.


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