Klarheit (Symptome)

Boggy, Dienstag, 13.08.2019, 10:49 (vor 1718 Tagen) @ W.W.

Sie sprechen etwas an, das mich in letzter Zeit sehr bewegt: Täuschen uns nicht die Begriffe eine größere Klarheit vor, als wir haben?

Aus meiner Sicht ist das möglich, aber es ist nicht notwendigerweise so. Wir müssen "nur" im Bewußtsein behalten, daß dies möglich ist. Und immer wieder übrprüfen.

Das ist das eine. Ich weiß nicht so genau, was "Ursache" oder "Krankheit" oder "Schub" ist, obwohl das viele für klar, weil definiert halten.

Sie könnten sich für sich selbst auf eine Definition einigen, und die mit anderen vergleichen. Und im Gespräch die Unterschiede benennen, eventuell begründen und durcharbeiten.

Aber gerade durch unsere Definitionen wird ja das, was wir meinen, vorurteilsbeladen, denn wie könnten wir ohne Urteile und Vorurteile definieren.

Ja, das ist richtig. Wir prägen durch unsere Definitionen unsere Wahrnehmung vor. Das ist unvermeidbar. Wir sollten deshalb so aufrichtig und gewissenhaft wie möglich unsere Urteile und Vorurteile reflektieren. Das hat natürlich menschliche Grenzen, aber im Dialog (oder Diskurs) ist noch einiges möglich.

Das andere ist so etwas wie das Numinose oder der Mythos. Oder ein Hölderlin-Gedicht. Ist das Klare, wenn man sich Mühe gibt, immer so klar sagbar, wie Wittgenstein I meinte? Oder beginnt das, was wirklich wichtig ist, erst dann, wenn alles, was naturwissenschaftlich und logisch gesagt werden kann, gesagt ist?

Nach meinem Verständnis schließt das eine das andere nicht aus. Es sind nur unterschiedliche Bereiche, die gleichberechtigt nebeneinander stehen, und die sich manchmal sogar überlagern. Und in denen ihre jeweils eigenen "Gesetzmäßigkeiten" gelten. Unser Menschsein umfaßt das alles, und drückt sich auch in alldem aus.

Ein Hölderlin-Gedicht (es kommt jetzt eigentlich darauf an, von welchem wir sprechen; nehmen wir z.B. "Patmos") muß für mich nicht naturwissenschaftlich klar sein. Mit so einer Haltung begegne ich ihm nicht. Hier ist mir wichtig: was bewirkt es in mir? Was erlebe ich? Egal, ob ich dies in klare Aussagesätze fassen kann, oder ob es mich in eine ganz bestimmte innere Verfassung versetzt, die ich nicht benennen kann, die mich aber erfüllt, berührt und erweitert. usw.
(Wenn ich auch kognitiv-analytisch einen Zugang zu einem Gedicht finde, ist das gut, und erweitert mein Verständnis, mein Erleben, auch den "Genuß".)
Weites Feld ...

Meine Befürchtung ist, dass es in der Welt gar nicht naturwissenschaftlich und logisch zugeht,

Meine Ansicht: nicht nur, aber auch - es existiert vieles gleichzeitig. Das ist kein Problem.

obwohl wir die Welt - wie das Ding an sich - nur logisch erfassen können.

Das "nur" bezweifle ich. Einerseits, in bestimmten Bereichen: naturwissenschaftlich-logisch; andererseits, in anderen Bereichen: erlebensmäßg-"ganzeitlich", mythisch, mystisch, "inutitiv" ... usw. und machmal sowohl als auch ...

Wir können nicht anders denken, als wir denken, so, wie wir nur mit unseren Augen sehen können.

Da wäre ich mir nicht sicher ...

Hinsichtlich der MS scheinen diese Gedanken eine besondere Rolle zu spielen, weil es sein könnte, dass wir die MS zu naturwissenschaftlich sehen.

Ich erwarte von meinen Ärzten, daß sie die MS naturwissenschaftlich sehen. Ich will auf verläßlicher, d.h. auch überprüfbarer, Basis behandelt werden.

Wenn man über das "zu naturwissenschaftlich" weiter gehen will, dann kann man schnell in gefährlichen Gebieten landen (z.B. bei den Scharlatanen oder Schwarzen Psychosomatikern, Heilsbringern, oder Möchte-gern-Gurus usw.).

Aber vielleicht wollen Sie das konkretisieren?

Nun habe ich fast mein Weltbild dargelegt.

Gruß
Boggy

--
Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum