Gedanken zur Psychosomatik eines Zauberberg-Verehrers und Romanautoren (Straßencafé)
Ich wollte es eigentlich nicht tun, weil es noch zu früh ist, aber jetzt tue ich es doch: Ich schreibe die überarbeitete Version hierhin:
Ist die MS eine psychosomatische Krankheit?
Wenn ich sage, die MS ist eine rein somatische (körperliche) Krankheit, dann sträubt sich in mir alles. Sage ich, sie ist eine rein psychische Krankheit, dann passiert genau dasselbe. Was bleibt mir also anderes übrig, als zu sagen: Die MS ist eine psychosomatische Krankheit? Damit will ich eigentlich nichts anderes feststellen als: Es gibt keine hundertprozentig somatischen Krankheiten und auch keine hundertprozentig psychischen. Was den beiden Extremen aber ziemlich nahe kommt, sind die Chorea Huntington (dominant erblich), die amyotrophe Lateralsklerose, die Stephen Hawking hat, und das Glioblastom (bösartiger Hirntumor) auf der einen Seite und die Angstneurose auf der anderen. Die meisten Krankheiten liegen in der Mitte: Herzinfarkt, Schlaganfall, Rheuma, Migräne…, aber auch die MS.
Warum fällt mit die Zuordnung so schwer? Das ist schnell gesagt: Die MS ist keine rein psychische Krankheit, weil sie deutlich sichtbare Herde im Kernspintomogramm macht, und sie ist keine rein somatische Krankheit… ja, warum eigentlich nicht? Ich meine, weil sie ausgelöst wird. Sie kommt also nicht aus heiterem Himmel, so wie man von einem Auto überfahren wird oder mit einem Flugzeug abstürzt.
Alles, was wirklich passiert, ist ein Wirrwarr!
Aber schon stocke ich: Bricht man sich nicht gerade dann ein Bein beim Skifahren, wenn man eine riskante Abfahrt wagt, um jemandem zu imponieren? Also ist nicht doch ein bisschen Psychisches dabei? Und mit dem Autounfall? Kann man sich nicht streiten, und in etwas angetrunkenem Zustand nachts nach Hause fahren, und es regnet und ist nebelig und dann kommt einem jemand in einer Kurve entgegen, der nicht rechtzeitig abblendet. Es kommt also vieles zusammen: Nebel, glitschige Straße, das verspätete Abblenden -, aber auch der Alkoholpegel im Blut und auch der Ehestreit.
Ich glaube, das ist fast immer so, wenn etwas passiert, dann ist es ein unüberschaubares Durcheinander von Ursachen, teils physikalischer Art, aber oft auch psychischer Natur. Ist also auch ein Autounfall rein psychisch? Nein, natürlich nicht, aber er hat gar nicht ganz so selten psychische Anteile. Ursachen in Reinkultur gibt es nur im Physiksaal!
b]Das Leben ist weder eine Kuschelecke, noch ein Physiksaal![/b]
Und wie ist es mit der MS? Ich kenne keine MS, die nicht durch irgendetwas ausgelöst worden ist. Durch einen Ehekonflikt, den Verlust eines Arbeitsplatzes, das Fehlverhalten des Ehepartners, Schulschwierigkeiten der Kinder, eine ernst Krankheit in der Familie…
Ja, ich gebe es zu, das sind meine ganz persönlichen Erfahrungen und beruht auf meiner ganz persönlichen Interpretation. Von Wissenschaftlichkeit ist hier nicht viel die Rede, und ich glaube sogar, dass man die Krankheitsursachen wissenschaftlich nicht ergründen kann. Vielleicht beim Glioblastom. Dem bösartigen Hirntumor, aber auch hier ahnen wir nur, es müsse sich um eine körperliche Ursache handeln, aber wir wissen es nicht. So, wie wir bei keinem Krebs die ‚wirkliche’ Ursache kennen.
Warum sollte es also bei der MS anders sein? Die Gefahr ist natürlich, dass man alle möglichen Erklärungen an den Haaren heranzieht und nicht mehr zwischen ‚wirklichen’ Ursachen und den scheinbaren, die man sich ausgedacht hat, unterscheidet. Gerade, wenn viel zusammenkommt, ist diese Gefahr am größten.
Warum fehlt oft der zeitliche Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung?
Ein anderes Argument gegen die psychosomatische Sichtweise ist der oft fehlende zeitliche Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, d.h. zwischen dem auslösenden Ereignis und dem MS-Schub. Dafür habe auch ich keine Erklärung. Beim Beinbruch ist das klar: Man fällt von einer Leiter und der Unterschenkel ist durch. Aber bei der MS? Ich wundere mich immer wieder, dass es hier keine klare Koppelung gibt. Es ist ganz selten so, dass man sich ganz schrecklich über etwas ärgert und über Nacht bekommt man einen Schub. Das ist praktisch nie der Fall! Nach meiner Erfahrung läuft es eher so: Es wird einem gekündigt, und man muss zum Arbeitsamt. Das Ganze ist unglaublich peinlich, und man kann es schlecht erklären, warum es gerade einen selbst getroffen hat. Der Partner versucht einen zu trösten, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass auch er insgeheim denkt, es oder sie hätte sich geschickter verhalten können. Der Schub kommt erst Wochen später! Warum eigentlich?
Ich kann nur spekulieren.
(Fortsetzung folgt)