Die Einsamkeit im Altenheim (Straßencafé)

W.W. @, Dienstag, 06.12.2022, 16:41 (vor 506 Tagen)

Niemand soll sich mit diesen sehr schwierigen und sehr belastenden Dingen belasten!

Ich schreibe sie dir, weil ich mit diesem Thema ringe, sehe aber auch, dass das, was mir auf dem Herzen liegt. Es geht mir um ein sehr persönliches Problem: die Einsamkeit im Pflegeheim, und warum man anscheinend nichts dagegen tun kann. Keine Antidementiva, keine Antidepressiva, keine Psychotherapie. Ich schreibe absichtlich, dass es so 'scheint', und ich schreibe ganz unakademisch, wie, als ob es mich selbst beträfe. Zunächst einmal die üblichen 'Geschichten'.:

1. Ebenezer Scrooge ist ein unerfreulicher Zeitgenosse, ein schrecklicher Geizhals, der seinen armen Schreiber Bob Cratchit bis aufs Blut ausbeutet und nicht einmal am Heiligen Abend frei gibt. In der Nacht zum 1. Weihnachtsfeiertag besucht ihn der Geist seines vor 7 Jahren verstorbenen Geschäftspartners Jacob Marley, der offensichtlich in der Hölle lebt. Um ihn zu einem besseren Leben zu bewegen, kündigt er drei Geister an, die Scrooge mit sich aus die Reise nehmen sollen: der Geist der vergangenen Weihnacht, der Geist der gegenwärtigen Weihnacht und der Geist der zukünftigen Weihnacht. Schließlich fällt Scrooge auf die Knie und gelobt, sich zu bessern. Du kennst die Geschichte!

2. erinnere ich mich den Film 'Das Erbe von Björndal'. Oder war es 'Ewig singen die Wälder'? Ein reicher Bauer hat zwei Söhne. Er wirft dem jüngsten vor, für den Tod seines Bruders verantwortlich zu sein. Zum Schluss sieht man den alten Mann, der sich durch den Schnee zur Hütte des verstoßenen Sohnes schleppt, wo dieser gerade den Weihnachtsbaum entzündet hat.

Man könnte sich fragen, warum einen solche Geschichten so sehr beeindrucken, in denen bestimmt kein Körnchen Wahrheit steckt, aber davon später. Ich will mich jetzt der eher grauen Wirklichkeit zuwenden.

3. Jemand hat zwei Söhne, von denen er den einen mehr liebt als den anderen, Warum, weiß er nicht - wohl, weil der eine sich dem Rat des Vaters beugt, der andere sein Leben selbst bestimmen will. Der eine ist Bankangestellter geworden, der andere ist nach Amerika gegangen, und er hat ihn aus den Augen verloren. Seine Frau ist vor einigen Jahren gestorben. Die Besuche seines verbliebenen Sohnes und dessen Frau und die Enkelkinder sind immer seltener geworden: zunächst noch zum Geburtstag und Heiligabend und Ostern, aber sie haben sich nur wenig zu sagen. Schließlich geht es allein nicht mehr, und er landet im Altenheim.

4. Jemand hat immer Glück im Leben gehabt: ein erfolgreiches Studium, eine hoch dotierte Stellung. Er hat eine reiche Frau geheiratet und sie haben auf großen Fuß gelebt. Sein Sohn ist ein angesehener Chirurg geworden, der ein Krankenhaus leitet. Nach einem Schlaganfall entscheidet die Familie, dass es besser ist, wenn er in ein Altenheim kommt, das auch sehr luxuriös ist und wo es ihm an nichts fehlt und seine Frau ihn dreimal pro Woche besuchen kann und sie z.B. in gute Restaurants essen gehen.

5. Jemand hat einige Freundinnen gehabt, aber sich für keine entscheiden können. Er verdient gut und ist froh, allein zu leben. Dann wird er alt und ab und zu verwirrt, so dass er ins Altenheim muss.

Nehmen wir einmal die letzten drei Geschichten und versetzen wir uns in einen Menschen wie dich. Musst du die Geschichten kennen, oder sollte es dir egal sein? Hilft den drei Männern gemeinsames Singen oder Ergotherapie, bei der man sich Wattebälle zu wirft? Oder muss Psychotherapie her, um ihnen bei der Last, die sie zu tragen haben, zu helfen? Oder ein Antidepressivum?

Braucht man professionelle Hilfe. oder reicht eine gute Pflegekraft, die das Herz am rechten Fleck hat? Was - um Himmelswillen - soll ein Theologe hier ausrichten?

Mir machen solche Vorstellungen zu schaffen, und ich glaube sogar, dass man sich vorstellen könnte, wie es diesen drei alten Herren gut gehen könnte. Es muss etwas damit zu tun haben, dass ihnen jemand bei der Bürde, die sie zu tragen haben, hilft. Und das könnte eben keine psychotherapeutische, sondern nur eine 'geistliche' Hilfe sein! Jemand, der zuhört und weiß, worauf es hinausläuft. Ich weiß, dass ich nicht gegendert habe.:-(

Und - zum Schluss - noch dies: Vielleicht muss das Schicksal, unter dem sich jemand quält, erzählbar sein, um verstanden werden zu können.

Wolfgang


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