Ich bin einem Missverständnis aufgesessen! (Allgemeines)

W.W. @, Donnerstag, 26.08.2021, 09:36 (vor 945 Tagen)

Das ist mir bei Agnos Einwänden aufgefallen. Wenn ich sie richtig interpretiere, meint er ja wohl, dass wir Menschen so vielen Unwägbarkeiten ausgesetzt sind, dass es geradezu arrogant wäre - und das bringt ja auch fRAUb zum Ausdruck -, wenn wir die Meinung vertreten, wir hätten unsere Gesundheit in der eigenen Hand.

Das klingt zugegebenermaßen sehr menschlich. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn jemand übergewichtig ist und unter Bluthochdruck und Diabetes leidet, dann kann man wohl diese drei Dinge unter der Diagnose 'metabolisches Syndrom' zusammenfassen. Darüber besteht Einigkeit. Aber nun stellen wir uns einmal vor, jemand gibt sich alle Mühe, sein Normalgewicht zu erreichen, aber er schafft es nicht oder nur vorübergehend?!

Dann würde Agno vermutlich sagen: "Er oder sie haben sich alle Mühe gegeben, aber sie haben es nicht geschafft. Was ist also naheliegender als das, was sie selbst nicht in den Griff bekommen, mit Medikamenten zu regulieren!"

Wie ich sagte, das klingt so menschlich, dass auch ich in Frage stellen würde, dass man einen Menschen, der seinen inneren Schweinehund nicht in den Griff bekommt (denn im Prinzip könnte das ja klappen), damit bestraft, indem man ihm blutdrucksenkende Medikamente oder Insulin verweigert. Das widerspricht aller ärztlichen Ethik!

Vermutlich würde ich also das nicht übers Herz bringen, aber leisten wir mit unserem Verhalten nicht einer ungünstigen Entwicklung Vorschub, dass wir nämlich das, was uns schwerfällt oder sogar unangenehm ist, lieber auf eine 'menschlicheren' Art, als medikamentös, in Ordnung bringen wollen - und das für 'medizinischen Fortschritt ansehen.

Jeder Arzt steht vor einem solchen Dilemma und fühlt sich verpflichtet, nicht päpstlicher sein zu wollen als der Papst. Aber fördern wir damit nicht eine immer mehr um sich greifende Medikalisierung? (Ivan Illich)

Mit der MS scheint es ähnlich zu sein, dass wir, weil es uns unbequem erscheint oder unseren liberalen Ansichten widerspricht, wie selbstverständlich die allgemeinen Basismaßnahmen als lächerlich abtun und meinen, heutzutage könnten wir auf Maßnahmen verzichten, die unser Leben einschränken, indem wir einfach auf medikamentöse Basismaßnahmen setzen.

Könnte das nicht ein Irrweg sein, obwohl er so 'menschlich' klingt? Und wer verdient an dieser 'Menschlichkeit'? Und schließen wir nicht auch die Augen vor den Nebenwirkungen der Medikamente.

Ich habe früher M.O. Bruker sehr bewundert, obwohl es heute nicht mehr politisch korrekt ist, das zu sagen, weil ihn Jutta von Ditfurth als 'braunen Müsli-Papst' bezeichnet hat und richterlich bestätigt wurde, dass sie das durfte.

Dennoch: Bruker mag eine belastete Vergangenheit gehabt haben (und Konrad Lorenz und Heidegger auch), aber wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht das Kind mit dem Bad ausschütten und alles verurteilen, was nur den Anschein von Nazi-Vergangenheit hat.

Um zum Anfang meines Beitrags zurückzukommen: Es könnte ja sein, dass wir 95% (statistische Größe!) unserer Erkrankungen durch eine vernünftige Lebensweise, die sich im Einklang mit der Natur befindet, in den Griff bekommen könnten, aber dennoch immerhin noch (wie Agno meint) in 5% der Fälle unvorhersehbar und 'unverschuldet' (bzw. ohne Mitverantwortung) einen Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs oder MS erleiden könnten.

Diese 5% würde unsere 'menschliche' Vorgehensweise rechtfertigen und damit im Wesentlichen auch unseren Medizinbetrieb am Laufen halten. Ich fürchte, es könnte sich auch um einen Trick handeln, dass nämlich die 95% zum Zufall erklärt würden (Du bist zufällig gesund!) und die 5%, die erkranken, zur Regel: Du kannst nichts dafür, dass du krank bist.

W.W.


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