Olmsted County-Studie - MS-Verlauf und Fragezeichen (Allgemeines)

Boggy, Mittwoch, 21.04.2021, 13:23 (vor 1093 Tagen) @ W.W.

Es gibt halt keine Garantien für einen guten Verlauf, trotz vielversprechender Prognosen..

Das ist in der Tat bei jedem anders.

Ich halte dieses Vorgehen für falsch, wenn es verlässliche Hinweise darauf gibt, dass sich eine MS im Schnitt in den ersten 10 Krankheitsjahren um 1,0 Punkte auf der EDSS-Skala verschlechtern wird, weil er mit Kanonen auf Spatzen schießt.

Wie sehen diese "verläßlichen Hinweise" genau aus?
Auf welcher Studien- oder anderen Grundlage beruht diese Aussage?
Wie verhält sich diese Aussage zu den von mir in diesem Thread aufgeführten Verlaufsstudien mit differenzierteren Angaben?

1. Der Beginn mit Schüben ist günstiger als ein langsames Fortschreiten von Anfang an.

Machen Sie hier - unausgesprochen - eine Differenzierung zwischen schubförmiger MS und primär-progredienter MS?

Ich beginne mit der Regel, die am gesichertsten ist: Eine MS, die mit Schüben beginnt, verläuft günstiger, als eine MS, die von Anfang an langsam fortschreitet. Diese Regel bezieht sich auf die Sonderstellung des primär progredienten Verlaufes, dessen Prognose erfahrungsgemäß schlechter ist.

Worauf beruht die Aussage, daß eine primär-progrediente MS eine schlechtere Prognose hat als eine schubförmige.
Das ist mir nicht bekannt.
Anekdotisch: ich habe nach über 30 Jahren ppMS im Vergleich zu einigen schubförmigen MS-Patienten, die mir bekannt sind, einen milderen Verlauf.

Die neunte Regel stammt von dem berühmten MS-Forscher John Kurtzke, nach dem auch die Kurtzke-Skala benannt ist. In einer sehr gründlichen Studie an Armee-Veteranen konnte er zeigen, dass der Behinderungsgrad fünf Jahre nach Diagnosestellung eine Beurteilung des weiteren Krankheitsverlaufes ermöglicht: Weniger als 11% von denen, die nach fünf Jahren eine leichte Behinderung hatten (EDSS unter 3), hatten nach fünfzehn Jahren einen EDS von 5 oder mehr.

Könnten Sie genauer Angaben dazu machen, auf welche Studie Sie sich beziehen?

Wie verhält sich diese Aussage zu den von mir in diesem Thread aufgeführten Verlaufsstudien?

Das ist die berühmte 5-Jahres-Regel. Sie stimmt mit der Beobachtung überein, dass die MS in vielen Fällen zu Krankheitsbeginn am aktivsten ist und im Verlauf der Jahre ruhiger wird.

Wiederum: worauf beruht diese Angabe?
Ich bezweifle sie stark - erfahrungsgemäß/anekdotisch, bezogen auf mich selbst, und Foristen-Berichte.

Für mich ist die letzte Regel besonders wichtig. Sie bringt die Krankheits­dynamik mit ins Spiel. Welche Macht eine Krankheit über den Körper bekommt, hängt ja mindestens von zwei Faktoren ab: der Angriffsstärke des (vermuteten) Erregers und der körpereigenen Abwehrkraft.

Sie bringen hier MS ursächlich in Beziehung zu einer Infektion.
Wovon sprechen Sie genau? Worauf beziehen Sie sich? Welchen Anteil in welcher Stärke hat hat ein "(vermuteter) Erreger" ursächlich am Krankheitsgeschehen?

Die Frage einer Virus-Beteiligung wird in ihrer Komplexität ja bereits diskutiert, und ihre Aussagen werden dem nicht gerecht.

Sie sehen, es handelt sich um ein Geflecht von Regeln, die teilweise dem gesunden Menschenverstand entsprechen, teilweise fast Binsenweisheiten sind,

Darauf würde ich mich mit Sicherheit nicht verlassen wollen.

Gruß
Boggy

P.S.

(aus: W. Weihe "Multiple Sklerose" (6. vollständig überarbeitete Auflage 2018), S. 110-112)

Ich stelle fest, daß Sie in ihrem Posting in ihrer Funktion als Neurologe in Erscheinung treten, der aus seinem MS-Buch zitiert, und damit nicht als normales Forenmitglied zu betrachten sind. Oder befinde ich mich im Irrtum?

--
Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

Tags:
Verlauf der MS


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