Leben mit MS (Allgemeines)
Danke Karo,
wenn W.W. nicht diesen Beitrag eingestellt hätte, hätte ich nicht Deinen wissenswerten und erkenntnisreichen Beitrag zu lesen bekommen.
Danke für die
Wenn Du von Deinen wissenschaftstheorischen, geschichtlichen und kulturellen Aspekten wegdenkst, was bedeutet das in der konkreten Umsetzung für die Dich und Dein Leben mit der MS? Grüße Jakobine
Grundsätzlich versuche ich, mich von allem, was mit dem "Reich der Klinik" zu tun hat, möglichst fernzuhalten. Robert Gernhardt hat dazu ein paar Verse gemacht, Titel: Guter Rat.
Ich meide also Arzt- und Krankenhausbesuche, gehe lieber zu spät als zu früh zum Arzt, das war aber schon immer so.
Konkret zu MS: Ich bin seit Sommer 2005 diagnostiziert und habe einen bisher milden Verlauf. Möglicherweise ändert sich das gerade, das bleibt abzuwarten und zu beobachten.
Arzt-Patienten-Gespräche fielen mir anfangs schwer, ich habe die Sprache oft nicht verstanden. Damit meine ich nicht Fachbegriffe, sondern allgemein die Art und Weise, mich anzusprechen, sich auszudrücken, das war mir alles sehr fremd, ich empfand das oft als abweisend.
Inzwischen begreife ich das eine Art Theaterstück mit festgelegten Rollen, mit weitgehend festgelegter Dramaturgie und weitgehend standardisierten Sprechtexten. Seither kann ich mich viel besser und freier darin bewegen.
Anfangs habe ich Avonex gespritzt, eine BT mache ich aber schon seit vielen Jahren nicht mehr. Die NW waren im Verhältnis zum angenommenen Nutzen bei relativ geringem Leidensdruck viel zu stark.
Was die BT-Frage allgemein angeht: Einerseits ist es gut, dass es diese Therapiemöglichkeiten gibt, ich begrüße die gesamte Bandbreite von erprobten Interferonen bis hin zu den neuen Medikamenten. Wunderbar, wenn es hilft, und das scheint bei vielen Betroffenen der Fall zu sein.
Andererseits sehe ich natürlich die gesamte Problematik, die sich, um es mal plakativ auszudrücken, aus dem Zwang der kapitalistischen Verwertbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen inkl. Medikamenten ergibt.
Es ist hochgradig kritikwürdig, dass in dieser Frage öffentlicher Daseinsvorsorge die Industrie und nicht eine unabhängige Institution die Forschungsfragen stellt, das Studiendesign entwirft, Studien auswertet, innerfachlich publiziert, außerfachlich vermarktet, dabei öffentliche Forschungsgelder einstreicht und auch noch die Medikamenten-Preise festlegen darf.
Nur wird sich daran nichts ändern, wenn ich trotz ggf. hohen Leidensdrucks mögliche Therapien verweigere und mir einbilde, der Industrie damit ein Schnippchen geschlagen zu haben. Das ist albern und hat überdies mit Kritik an den sicher hochgradig kritikwürdigen Zuständen nichts zu tun.
Es gibt Organisationen, die sich seit Jahrzehnten qualifiziert und engagiert mit der Kritik an diesen Zuständen auseinandersetzen, insbesondere der VdÄÄ, medico international, der VdPP, auf Versorgungsebene die unzähligen Medibüros und die neu entstehenden solidarischen Polikliniken. Natürlich auch MeZis usw. Speziell für MS gibt es die bekannte Gruppe in MS-Stiftung Trier, die hervorragende Aufklärungsarbeit macht.
In der ersten Zeit nach der Diagnose glaubte ich, mir ein Studienwissen aneignen und begreifen zu müssen, wie Studien zu lesen und zu interpretieren sind. Ich bin aber sehr schnell an Verständnisgrenzen gestoßen, die sich als schier unüberwindlich herausgestellt haben.
Meist ist das alles auch noch sehr schlecht geschrieben, komplexe Syntax, viele Verstöße selbst gegen elementare Regeln in Grammatik, Rechtschreibung und Interpunktion, die mir das Verständnis eines für mich ohnehin schon sehr schwierigen Stoffes fast unmöglich machen.
Also habe ich schon vor Jahren aufgehört, mich eingehender damit zu befassen, und beschlossen, mich erst wieder zu informieren, wenn eine konkrete Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapie ansteht. Dann würde ich die Informationen des KKNMS heranziehen, die Infos vom UKE und die Infos aus Trier, das müsste so ziemlich das Beste sein, was es im Moment gibt.
Ansonsten versuche ich, meinen Alltag möglichst angenehm zu gestalten, nicht zu viel Stress, nicht zu wenig, gutes Essen, gute Bücher, gute Arbeit, guten Sport (was im Moment leider ausfällt), gute Leute um mich herum - aber ich bin auch ganz gerne für mich allein.
Vor allem vermeide ich unliebsame Treffen.
