Alt, krank, aber mit Mitgefühl (Straßencafé)

Boggy, (vor 16 Tagen)

Eine kleine Geschichte aus meinem Leben:
Heute war es Zeit, daß ich meinen Müll zu den Müllcontainern brachte. Die stehen an der Straße, so rund 50 Meter entfernt von der Haustür.
Wie bekannt, bin ich seit längerem in sehr schlechter Gesundheits-/Krankheitsverfassung und sehr schwach. 50 Meter hin, 50 zurück = 100 Meter, plus Treppe in den 2, Stock rauf und runter - das schaffe ich nur an den eher wenigen, guten Tagen. Heute war ein ich-bin-mir-nicht sicher-Tag, und ich war entsprechend angespannt.

Angekommen an den Müllcontainern schaltete sich der Achtsamkeits-Modus ein - leider zu spät, und ich merkte, daß ich anspannungsgeschuldet das Altpapier vergessen hatte. Ein kurzer Moment von Erschrecken, ein inneres "Ach Herrjeh!" und ein bißchen Traurigkeit.

Im Gegensatz zu Zen-Meister Ryôkan konnte ich nicht mehr umkehren, und auch nicht den ganzen Weg ein zweites Mal laufen. Ich ließ es also wie es war, und das Altpapier ruht weiter in der Wohnung. Aber ich habe die Frage von Zen-Meister Ryôkan "Wer ist da, der mit diesem alten Körper Mitleid hat?" für mich beantwortet: ich bin da, um mit meinem alten und kranken (!) Körper Mitleid - ich sage lieber Mitgefühl - zu haben, und nicht nur mit meinem alten und kranken Körper, sondern mit mir insgesamt, mit allem, was ich bin.

Zen-Meister Ryôkan:

"Wer ist da, der mit diesem alten Körper Mitleid hat?
Die Sonne geht unter, während ich umkehre,
Um den Stab zu holen, den ich vergessen habe."

Allen ein gutes Wochenende!

Gruß
Boggy

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.


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