Kritk populärer Epigenetik-Vorstellungen (Allgemeines)
Bei meinen kleinen Recherchen zum Long-Covid-Problem, angeregt durch Michaels Beiträge, bin ich auch auf einen - aus meiner Sicht wichtigen Artikel - zur Kritik populärer (falscher) Vorstellungen über Epigenetik allgemein gestoßen, den ich der verehrten Leserschaft auch nicht vorenthalten möchte.
Quelle =>
https://www.peter-spork.de/files/newsletter-epigenetik-2022-36-aug.pdf
Peter Spork: newsletter epigenetik 36 | august 2022
S. 6
Kritik an Sicht auf Epigenetik
Bernhard Horsthemke: A critical appraisal of clinical
epigenetics. Clinical Epigenetics 14, 28.07.2022, Nr. 95.
Es sei ein Missverständnis, dass epigenetische Modifikationen des Chromatin genannten Gemischs aus DNA und angelagerten Proteinen eine eigene, unabhängige Ebene der Genregulation seien, schreibt der Epigenetiker Bernhard Horsthemke von der Universität Duisburg-Essen in einem Beitrag für das Fachblatt Clinical Epigenetics.
Weder steuere das Epigenom die Genaktivität einer Zelle direkt, noch werde es in der Regel direkt durch äußere Einflüsse verändert.
(...) „Somit spiegeln Veränderungen in den Chromatinmodifikationen eher Veränderungen in der Genexpression wider, als dass sie diese verursachen“, folgert Horsthemke, der seit den 1980er Jahren im Gebiet forscht. (...)
Hätten Eltern und ihre Nachkommen das gleiche Epigenom, sei das oft eine Folge der genetischen Vererbung und kein Hinweis auf die Existenz einer generationsüberschreitenden epigenetischen Vererbung.
Anders als bei vielen Tierversuchen gebe es beim Menschen bislang nur wenige eindeutige Hinweise, dass Umwelteinflüsse das Epigenom von Zellen direkt verändern würden, und dass solche Veränderungen zudem an Nachkommen weitergegeben werden könnten. (...)
Zudem wiesen viele Studien methodische Schwächen auf: (...)
Popularisierende Formulierungen wie „Wir können unsere Gene kontrollieren“ oder „Du bist, was deine Eltern gegessen haben“ hätten deshalb in Fachpublikationen nichts verloren. Man brauche eine präzisere Definition der Epigenetik und solle zu den Fakten der Molekular- und Zellbiologie zurückkehren."
Und hier die Originalpublikation:
A critical appraisal of clinical epigenetics, Bernhard Horsthemke, Clinical Epigenetics volume 14, Article number: 95 (2022)
https://clinicalepigeneticsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13148-022-01315-6
"Die moderne Epigenetik ist vor etwa 40 Jahren entstanden. Seitdem hat sich dieses Gebiet rasch entwickelt. Leider wurde diese Entwicklung von bestimmten falschen Vorstellungen und methodischen Unzulänglichkeiten begleitet. Ein grundlegendes Missverständnis besteht darin, dass Chromatinveränderungen eine eigene Ebene der Genregulation darstellen, die direkt auf die Umwelt reagiert und potenziell zwischen den Generationen vererbbar ist.
(...)
Trotz der oben erörterten Probleme gibt es viele solide Beweise dafür, dass epigenetische Defekte zu menschlichen Krankheiten beitragen."
Gruß
Boggy
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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.