Der "dritte" Mann (Straßencafé)

W.W., (vor 1853 Tagen)

Es gibt ein Problem, das ich nie habe lösen können. Es lautet: Wenn ich eine Gruppe von Menschen sehe, dann spreche ich von "den" Menschen, die z.B. an einer Bushaltestelle stehen. Sie müssen also eine gemeinsame Eigenschaft haben, die sie als "Menschen" auszeichnet, sonst könnten wir sie ja gar nicht mit einem Allgemeinbegriff belegen. Außerdem sind "die Menschen" sicher kein Mensch, sondern etwas Abstraktes, also ein Oberbegriff und nichts Reales, was man anfassen kann. .

Das ist also wohl im Wesentlichen das, was Platon mit seiner Ideenlehre meint, wenn er behauptet, der einzelne Mensch sei zufällig und unbedeutend, wirklich real sei nur der "Mensch an sich".

Bis zu diesem Punkt habe ich keine Schwierigkeiten, aber Aristoteles behauptet, Platon habe sich mit seiner Argumentation in eine logische Sackgasse hineingeritten.

Alle Welt scheint Aristoteles recht zu geben und hält deswegen Platons Ideenlehre für verfehlt, dem gegenüber muss ich gestehen, dass mir Platons Argumentation einleuchtet und ich an seine Ideenlehre glaube.

Zum Versuch einer Erklärung: Aristoteles spricht von einem unendlichen Regress und behauptet wohl, wenn es die Idee des Menschen gäbe, dann müsse es ein Drittes geben, also wohl eine Kategorie, die das Gemeinsame von einem Einzelmenschen und der Idee eines Menschen beschreibe. Mir leuchtet das nicht ein!:-(

Kann mit jemand mit verständlichen Worten erklären, was Platons logischer Fehler ist?:confused:

W.W.

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Der "dritte" Mann

W.W., (vor 1853 Tagen) @ agno

https://www.amazon.de/Argumente-Dritten-Menschen-%C2%BBParmenides%C2%AB-Hypomnemata/dp/...
Muss man das Buch gelesen haben, um dem Gedanken zu folgen?
fragt sich agno

Nein! Ich gehe davon aus, dass sich gute Argumente durch sich selbst erklären, einfach, weil sie einleuchten. Ein Beispiel für ein gutes Argument war mein Rätsel über Rotwein und Weißwein.

Rotwein und Weißwein
Das Rätsel geht so:

„In einem Glas ist Rotwein, in einem anderen Weißwein. Man gibt einen Löffel voll Rotwein in den Weißwein, und dann einen Löffel von dem Gemisch in den Rotwein. Ist nun mehr Rotwein im Weißwein oder mehr Weißwein im Rotwein?“

Und ich diskutiere das so:

„Das hältst du für ein einfaches Rätsel?“, meinte Geerd. „Muss man nicht erst einmal das Mischungsverhältnis ausrechnen, wenn man einen Teelöffel Rotwein in Weißwein tut, und dann wie viel man von diesem Gemisch in den Rotwein zurückgibt? Da kann man bis morgen früh rechnen!“
„Nein“, sagte Michelle, „das Schöne ist, dass man für die Lösung kein bisschen Mathematik braucht. Das Problem schaut schwieriger aus, als es in Wirklichkeit ist.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen.“
Geerd hatte eine Denkfalte zwischen den Augenbrauen.
„Es gibt also nur zwei Möglichkeiten“, sagte er schließlich. „Entweder ist mehr Rotwein im Weißwein oder mehr Weißwein im Rotwein. Da man aber mit dem ersten Teelöffel ein Gemisch aus Rotwein und Weißwein herstellt, gibt man also etwas weniger Rotwein zurück. Ziemlich einfach!“
Er sah Michelle erwartungsvoll an. Sie gab sich überrascht.
„Auf den ersten Blick klingt das überzeugend“, meinte sie, „aber es ist falsch. Es gibt immer mehr als zwei Möglichkeiten.“
„Wirklich?“, fragte Geerd und Michelle fuhr fort:
„Das wird klar, wenn man sich vorstellt, das Rotweinglas sei mit roten und das Weißweinglas mit weißen Murmeln gefüllt. Zusätzlich geht man davon aus, dass jeweils nur zwei Kugeln auf einen Löffel passen, dann wird man in jedem Fall erst einmal zwei rote Murmeln in den Weißwein geben. Und dann hat man drei Möglichkeiten…“
„Man kann genau dieselben zwei wieder zurück tun, was zwar unwahrscheinlich, aber theoretisch denkbar ist, und dann ist keine rote Kugel im Weißwein und keine weiße im Rotwein. Zweitens kann man eine rote und eine weiße Kugel zurücktun, dann ist eine weiße im Rotwein und eine rote im Weißwein. Oder man erwischt zwei weiße Murmeln und dann sind zwei weiße im Rotwein und zwei rote im Weißwein.“
„Aber dann bleibt es sich ja in jedem Fall gleich“, sagte Lena grüblerisch. „Das kann ich nicht glauben! Meinst du wirklich, das Ergebnis ist völlig unabhängig davon, ob man umrührt oder nicht?“
„Das kann überhaupt nicht sein!“, fuhr Geerd dazwischen. „Mit zwei Kugeln mag das ja angehen, aber nehmen wir einmal an, die Kugeln seien wesentlich kleiner und es würden mehr davon in einen Teelöffel passen. Sagen wir einmal 20.“
„Und dann?“
„Dann würde man 20 rote Kugeln in den Weißwein tun, und schließlich 17 weiße und 3 rote Kugeln zurück, was ja auch der Wirklichkeit viel näher kommt.“
„Und dann?“
„Dann wären 17 weiße Kugeln im Rotwein“, begann Geerd siegesgewiss, um dann kleinlaut fortzufahren: „… und 17 rote Kugeln im Weißwein.“
Als er merkte, dass das auf genau dasselbe herauslief, schwieg er betroffen.
“Nun gut, das war ein schlechtes Beispiel“, räumte er ein und fügte ärgerlich hinzu:
„Auf jeden Fall ist ein Trick dabei.“

Mit der Diskussion deute ich allerdings an, dass man sich über den Tisch gezogen fühlen kann.

W.W.

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Der Rotwein....

naseweis ⌂, in meinem Paradies, (vor 1853 Tagen) @ W.W.

.
... ich würde über den Rotwein nicht rätseln, sondern ihn trinken.

Bei nem guten Weißwein tät ich das Gleiche.

Rotwein und Weißwein zu vermischen halt ich für ein Unding, auch wenn's der Wahrheitsfindung dienen sollte. :crying:

Slainthe mhath

--
das Geheimnis der Medizin besteht darin,
den Patienten abzulenken,
während die Natur sich selber hilft (Voltaire)

Sisyphos hatte es auch nicht leicht

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In vino veritas

Boggy, (vor 1852 Tagen) @ naseweis

... ich würde über den Rotwein nicht rätseln, sondern ihn trinken.

Bei nem guten Weißwein tät ich das Gleiche.

Das nenne ich fürwahr klug!
lightbulb

Rotwein und Weißwein zu vermischen halt ich für ein Unding, auch wenn's der Wahrheitsfindung dienen sollte. :crying:

Ein Unding ists, fürwahr, und dient wohl nicht der Wahrheitsfindung.
Heißt es zwar
"In vino veritas",

aber nicht die Mischung ist gemeint, sondern das Reine, der Reine, alleine.
:-)

So möcht ich noch einen berühmten Satz des antiken Philosophen Aristokrates daneben stellen (nicht untermischen!) Um quasi die Ideenlehre und die Weinleere zu vereinen:

"Die Idee des Weins macht nicht trunken."

:-D

Prosit!

--
Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

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Der "dritte" Mann

agno, (vor 1853 Tagen) @ W.W.

Ich behaupte: Kugeln ja, Wein nein, außer es sind gefrorene Würfel, was aber eine "seltsame Möglichkeit" ist, wenn man sich in einer Unterhaltung respektvoll begegnet.

Wenn ich eine Gruppe von Menschen sehe, dann spreche ich von "den" Menschen, die z.B. an einer Bushaltestelle stehen. Sie müssen also eine gemeinsame Eigenschaft haben, die sie als "Menschen" auszeichnet, sonst könnten wir sie ja gar nicht mit einem Allgemeinbegriff belegen. Außerdem sind "die Menschen" sicher kein Mensch, sondern etwas Abstraktes, also ein Oberbegriff und nichts Reales, was man anfassen kann. .

Das ist also wohl im Wesentlichen das, was Platon mit seiner Ideenlehre meint, wenn er behauptet, der einzelne Mensch sei zufällig und unbedeutend, wirklich real sei nur der "Mensch an sich".

Bis zu diesem Punkt habe ich keine Schwierigkeiten, aber Aristoteles behauptet, Platon habe sich mit seiner Argumentation in eine logische Sackgasse hineingeritten.

Die einzige logische Sackgasse die Ich sehe, ist das man als Mitglied der Gruppe, nicht von "den Menschen an der Bushaltestelle" spricht.
Eventuell würde ein Löwe seinem Sohn erklären, dass es Menschen sind. ;-)
und schon sind wir in schrägen Denkspielen, wo es niemals möglich ist, das eigene Wissen über das des Lesers zu stellen. Wo man maximal, gemeinsam mit Freunden, die Untiefen von Vermutungen aufdröseln könnte.

agno

--
Weiß nicht, woher ich komm, weiß nicht, wie lang ich bleib, weiß nicht, wohin ich geh, mich wundert, dass ich glücklich bin ...

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Entschuldigung / Danke! Ein neuer Begriff zum Zerpflücken: Vulnerabel

agno, (vor 1853 Tagen) @ agno

Vulnerabilität
Vielleicht war es ein Tippfehler beim Goggeln? Oder Zufall?
Irgendwo stand: "Verletzlich ist was man liebt" Anschließend wurden verletzliche Menschen aufgezählt die nicht geschützt werden.
Gruß agno, einen schönen Abend!

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