Ich finde die Frage anregend, gerade auch weil sie von einem Kind kommt. Zunächst dachte ich, ich müsste natürlich mit Kants 'Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee' antworten, aber dann erschien es mir lächerlich. Es müsste einen anderen, kindgemäßeren Zugang geben, ohne damit kindisch oder zu einfach zu werden.
Ich dachte es mir so, dass das Kind beim Spazierengehen seinen Großvater fragt, warum alles so schön ist: die warmen Sonnenstrahlen, das Blau des Himmels, das Grün der Wiesen, die Schlüsselblumen, der Löwenzahn und die Gänseblümchen, und wie das Konzert der Vögel so wunderbar dazu passt, ohne dass es zu einem Misston käme.
Als Großvater würde ich mich nicht trauen, diese andächtige Stimmung zu beeinträchtigen, und würde vielmehr ein Loblied auf die Natur und die Erde anstimmen, vielleicht würden wir sogar ein Lied zusammen singen, das dieses ganz besonders schön zum Ausdruck bringt, und das mein Enkelkind im Konfirmationsunterricht auswendig lernen musste: 'Geh aus mein Herz und suche Freud...'.
Aber dabei wird es nicht bleiben! Irgendwann einmal, vielleicht schon im Herbst, wird mich das Kind fragen, ob es nicht vielleicht eine romantisierende Einstellung sei, alles so schön zu finden, denn natürlich sei das Spinnennetz mit den funkelnden Tautropfen darauf auch schön, aber es sei auch etwas Schreckliches, auch die Stoppelfelder und die Bäume, die beginnen kahl zu werden.
Jetzt würde ich nachdenklich werden und ernsthaft nachzudenken beginnen, und wahrscheinlich würden wir erst einmal eine Weile schweigend nebeneinander hergehen. Was das Kind wissen will, ist ja, warum das Schöne durch das weniger Schöne, durch den Verfall und sogar durch das Grausame erkauft wird.
So ungefähr würde ich beginnen, ohne genau zu wissen, auf was denn diese Gedankengänge herauslaufen werden - und was das mit der MS zu tun haben könnte. (Und natürlich würde ich Kants kurze Schrift (5 Seiten) 'Über das Misslingen aller philosophischer Versuche in der Theodizee' im Hinterkopf behalten.)
W.W.
