Die Therapie der MS (Allgemeines)

W.W. @, Freitag, 10.06.2016, 18:20 (vor 2878 Tagen) @ W.W.

Allgemeine Gedanken zur MS-Therapie
Im Folgenden spreche ich nicht von der Schubtherapie, sondern nur davon, wie man den Verlauf der MS beeinflussen will. Die Crux bei der MS-Therapie ist, dass man die Ursache der MS nicht kennt. Dennoch scheint sich dauernd etwas zu ändern, aber der Eindruck täuscht. Ich bin jetzt mehr als 30 Jahre dabei, aber es wird immer noch arg mit Wasser gekocht, und es hat sich nichts Wesentliches getan. Nein, auch durch die Betainterferone nicht! Aber verläuft die MS nicht günstiger als vor 30 Jahren? Ich glaube, das ist sehr schwer nachzuweisen, und ich glaube es auch nicht. Warum ist es so schwer das nachzuweisen? Weil durch den Kernspin im Vergleich zu früher immer mehr Mini-MS-Erkrankungen diagnostiziert werden, die früher unerkannt blieben (Ab und zu mal ein ‚Schübchen’, der übersehen wurde, und sonst nichts!) , und weil die Verlaufsstudien oft von Pharmafirmen finanziert werden, die auf Studien, die den Erfolg der BT nachzuweisen scheinen, fliegen, und andere, die skeptischer sind, im Papierkorb verschwinden lassen. Und nach wie vor wird alles auf die Karte schubförmige MS gesetzt, und man denkt: Wenn wir erst einmal wissen, wie man sie in den Griff bekommt, dann ist die Therapie der progredienten MS ein Kinderspiel.


Die Drei-Stufen-Therapie der MS
Als junger Arzt habe ich noch die Drei-Stufen-Therapie der MS kennengelernt. Die erste Stufe war eine gesunde Lebensweise (kein Nikotin, Normalgewicht, gesunde Ernährung), die zweite orale Immunsuppressiva (damals gab es eigentlich nur Imurek®) und die dritte (wenn alles nicht half) Mitoxantron oder im äußersten Notfall Endoxan®.
Ich gestehe, dass schon damals die Imurek®-Therapie als fragwürdig galt, aber es war ja nur eine Tablette täglich, und manchmal brauchen die Patienten ja auch einen Strohhalm, an dem sie sich festhalten können. Die dritte Stufe war immer umstritten, weil sowieso alles verloren zu sein schien, und die, die profitierten, machten zusammen mit ihren Ärzten viel Wind um ihren Besserung oder Stillstand, und die außer schweren Nebenwirkungen keinen Effekt sahen, schwiegen. Und das Imurek bot auch etwas, was Ärzte lieben: Sie konnten alle 3 Monate Blut abnehmen und die Lymphozytenzahl bestimmen! Damit wurde viel Eindruck geschunden! Die dritte Stufe war immer umstritten, weil sowieso alles verloren zu sein schien, und die, die profitierten, machten zusammen mit ihren Ärzten viel Wind um ihren Besserung oder Stillstand, und die außer schweren Nebenwirkungen keinen Effekt sahen, schwiegen.
Nach meinem Geschmack ist die erste Stufe immer zu kurz gekommen. Das hat 3 Gründe: 1. konnten sich Ärzte damit nicht brüsten (es war nur zeitaufwendig, den Betroffenen ins Gewissen zu reden, und sie verdienten nichts daran), 2. hielt man die Maßnahmen für so selbstverständlich, dass man meinte, es lohne sich nicht, darüber ein Wort zu verlieren. Wer sein Leben umstellen wollte, der tat es sowieso - und zwar von sich aus -, und wer das nicht wollte, bei dem waren sowieso Hopfen und Malz verloren. Der 3. Grund war und ist: Man hält eine Umstellung der Lebensweise zwar für wünschenswert, aber ineffektiv.

Basistherapie und Eskalationstherapie
In den 90er Jahren kamen die Betainterferone und die Einteilung der MS-Therapie zwischen den Schüben in Basistherapie und Eskalationstherapie. Aber empfindsame Gemüter haben etwas gegen das Wort ‚Eskalation’, so wie sie auch ‚Immunsuppression’ als zu aggressiv empfinden und lieber von ‚Immunmodulation’ sprechen. Man ersetzt als ein Wort durch das andere, ohne dass sich etwas grundlegend ändert.

Verlaufsmodifizierende Therapie
Jetzt spricht man von verlaufsmodifizierender Therapie und unterteilt sie in zwei Gruppen: a) leichte/moderate Verläufe und b) (hoch-)aktive Verläufe. Ein Wort dazu. Man hat mir immer vorgeworfen, wenn ich das Wort ‚gutartige MS’ verwendet habe. Das würden nur Scharlatane und Hellseher sagen. Ich will ja auch nicht behaupten, dass ich mich vielleicht ab und zu geirrt habe, das wäre ja auch statistisch zu erwarten, aber ich bleibe dabei: Nach ein paar Jahren kann ein erfahrener Arzt den MS-Verlauf zuverlässig vorhersagen!
Ich habe immer folgende Faustregeln benutzt:
- Eine MS, die in den ersten Jahren wenige Herde produziert, wird auch später relativ gutartig verlaufen.
- Wenn das MRT keine ‚schwarzen Löcher’ macht, ist das eher günstig.
- Eine MS, die in einer extremen Belastungssituation auftritt ist günstiger zu bewerten als eine MS, die ‚aus heiterem Himmel’ kommt.
Die DMSG sieht das differenzierter: Abstand der Schübe? Zunahme der Behinderung? Die Veränderungen im Kernspin? Ansprechen auf die Basistherapie?... Aber im Grunde genommen läuft es auf dasselbe hinaus. Nur - und das ist eine Temperamentsfrage - unterteile ich Dinge lieber in 3 als in 2 Gruppen: Die erste Gruppe ist eine 'gutartige MS', die mich nicht erschrickt, die dritte Gruppe ist beunruhigend, und die zweite Gruppe mittenmang dazwischen.

W.W.


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