Vernichtendes Urteil im angesehen British journal of medizin (Allgemeines)

W.W. @, Mittwoch, 20.04.2022, 09:55 (vor 709 Tagen) @ W.W.

Ich hatte 2004 einen Artikel im DEutschen Ärztblatt geschrieben, der es sogar auf die Titelseite gebracht hatte. Er hieß 'Von der Wahrscheinlichkeit des Irrtums'

Er führte zu einer heftigen Kontroverse seitens des Vorsitzenden des deutschen Cochrane-Gesellschaft, die mein 'philosophisches Gespräch' fix und fertig machte. Es begann so:

Das nachfolgend wiedergegebene Gespräch findet auf der Terrasse eines großen internationalen Hotels in Venedig statt. Teilnehmer sind drei Ärzte, die sich anlässlich eines Kongresses hier getroffen hatten. Sie diskutierten über die Bedeutung von klinischen Studien. Zunächst wurden die fünf Standardargumente der kritischen Ärzte besprochen:
1. Eine Studie kann schlecht geplant und schlampig durchgeführt sein.
2. Die Ergebnisse können gefälscht oder geschönt sein.
3. Auch ein signifikantes Ergebnis ist definitionsgemäß in fünf Prozent der Fälle falsch.
4. Signifikanz ist nicht gleich Wirksamkeit.
5. Der Durchschnittspatient der Studie unterscheidet sich vom konkreten Patienten in der Praxis.
Aber selbst wenn man alle diese Bedenken außer Acht lässt und von idealen Studien und idealen Forschern ausgeht, ist es – das war die ungeheuerliche Behauptung von Salviati – nicht möglich, von der Signifikanz einer Studie auf die Irrtumswahrscheinlichkeit zu schließen.

Sagredo: Unser gestriges Gespräch hat mich in so gewaltige Zweifel gestürzt, dass ich sehr unruhig geschlafen habe. Ich träumte, ich wäre in einen tiefen Strudel gestürzt und konnte weder auf dem Grunde festen Fuß fassen, noch zur Oberfläche emporschwimmen.

Simplicio: Das kommt davon, wenn man immer nur Mineralwasser trinkt. Ich für meinen Teil weiß gar nicht mehr, worüber wir gesprochen haben.

Salviati: Wir nehmen es dir nicht übel, lieber Simplicio, dass du den Wein liebst, aber du solltest nicht versuchen, eine Tugend daraus zu machen. Sagredo meint sicher unsere Diskussion über die Frage, inwieweit uns klinische Studien helfen können, für unsere Patienten die richtige Therapie zu finden.

Sagredo: Genau. Du hattest die unglaubliche Behauptung aufgestellt, klinische Studien in der Form, wie sie derzeit durchgeführt werden, könnten uns keinen Aufschluss darüber geben, ob ein Medikament wirksam ist oder nicht. Habe ich dich in diesem Punkt richtig verstanden?

Salviati: Exakt.

Sagredo: Es wäre sicher nützlich, deine Argumente für unseren Freund Simplicio noch einmal kurz zusammenzufassen, denn ich weiß, er ist den geistigen Freuden ebenso zugetan wie den irdischen.

Salviati: Ich komme deiner Bitte gern nach, Sagredo. Wie ihr wisst, dreht sich in der klinischen Forschung alles um die Signifikanz. Sie ist geradezu zum Fetisch geworden. Wenn in einer klinischen Studie gezeigt werden kann, dass ein Medikament einer Placebobehandlung signifikant überlegen ist, dann hat die Forschergruppe die besten Chancen, dass ihr Ergebnis auch in einer hochkarätigen Fachzeitschrift veröffentlicht wird. Ich behaupte jedoch, dass die Signifikanz nicht das misst, was sie zu messen vorgibt.

Simplicio: Bitte, Salviati, erwarte nicht, dass wir eine solche Aussage ernst nehmen können. Die Signifikanz ist unbestritten das Maß der Wahl für die Verlässlichkeit der Ergebnisse. Nichts könnte klarer und deutlicher sein.

Sagredo: Ich muss Simplicio Recht geben. Du willst sicher nur sagen, dass Studien schlecht geplant oder schlampig durchgeführt werden oder dass man den Ergebnissen nicht trauen kann, weil sie oft geschönt oder sogar gefälscht sind?

Salviati: Nein, es gibt zwar die von euch beschriebenen Missstände, aber das Besondere an meiner Behauptung ist, dass sie auch zutrifft, wenn Studien dem Goldstandard entsprechen.


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