Aggression und Lebensfreude (Teil 2) (Allgemeines)
Um das Ich zu etablieren und zu festigen, braucht es grenzverteidigende Aggression und diese hat und braucht ein Gegenüber, das im Wege steht und überwunden werden muss. Aggression wünscht sich, braucht und hat immer ein Objekt, an das sie sich heranmachen kann, denn das Ich etabliert sich am Widerstand. Aggression braucht und will, fordert individuellen Kontakt und bekämpft den sozialen und zwischenmenschlichen Anpassungsdruck, der die Individualität verneint.
Leidenschaft ist spontan wohl bei den meisten sexuell assoziiert – aber man kann natürlich alles mögliche „leidenschaftlich“ sein oder tun. Es geht um die körper-seelische Qualität der Beschäftigung: man tut es ganz, man ist ganz dabei, man geht an oder über körperliche Grenzen, zur Leidenschaft wie zur Ich-Etablierung gehört die vorübergehende Befreiung von der Rücksichtspflicht, sie riskiert Rückhaltlosigkeit, man geht auch auf`s Ganze (los), riskiert oder schafft dabei – wie das Wort schon sagt – auch durchaus ein Leiden für sich selbst oder den Anderen. Leidenschaft hat etwas Unbedingtes und Bedingungsloses, die Leidenschaftlichen „vergessen sich“, Leidenschaft drängt jedenfalls danach, die Normen und Vorbehalte der Anpassungsforderung in den Wind zu schlagen. Leidenschaft ist auch entdifferenziert, man tut leidenschaftlich nur dies unter Ausschluss anderer Möglichkeiten.
Natürlich zerstört Leidenschaft das Gewohnte, kann es auch verwüsten. Zur Leidenschaft gehört immer eine irgendwie geartete Grenzüberschreitung – und seien es die der sog. Normalität oder Moral, die der Körper, die eigenen Erschöpfungsgrenzen, finanzielle und zeitliche Grenzen etc. Können wir sagen: Lustvolle Leidenschaft beginnt da, wo man beim Anderen, auch bei sich selbst, hinter der Grenze Kredit aufnimmt? Wo das Ich über sich selbst hinausgeht? Es lehnt sich weit hinüber und über den Anderen hinaus, bereit zu kippen und zu fallen.
Es gehört jedenfalls das Vertrauen dazu, dass die aggressive Leidenschaft vom Gegenüber nicht als destruktives Vorhaben verstanden wird, sondern als Weg vom unsicheren, zweifelnden, mehr oder weniger gehemmten Normal-Ich zu einem vorübergehenden Hochgefühl des ganzen körper-seelischen Ichs, das in der rücksichtslosen Grenzüberschreitung und dem Ausblenden anderer Möglichkeiten noch einmal omnipotent und Nabel der Welt wird – nur insofern auch gegen den Anderen und seine Grenzempfindlichkeiten gerichtet, als ein sich aufrichtendes, ausbreitendes Ich wohlwollend eingeräumten Platz braucht, auch die Bereitschaft des Anderen, die hinreißende Attacke auszuhalten, mit-zu-halten und schließlich gegebenenfalls auch zum Einhalten anzuhalten.
Zur Leidenschaft gehört eine gewisse Unempfindlichkeit des Objekts, das sich vorübergehend bereitwillig „zerstören“ lässt.
Leidenschaftliche Aggression wird hier also als ein innerer Vorgang verstanden, der sich Ausdruck verschafft, um Körper und Psyche als Einheit erfahrbar werden zu lassen. Ein Vorgang der Integration. Die, um nicht in Destruktion und Verwüstung zu enden, darauf vertraut und es benötigt, dass die dingliche und menschliche Umwelt mithält und mit-aushält, mit ihrerseits sicheren Grenzen auch – und ohne Rachsucht - gegenhält.
Der leidenschaftliche Selbstausdruck richtet sich in seinen aggressiven, angreifenden Komponenten gegen etwas Störendes, Schmerzhaftes, gegen Bedrohung, Unwohlsein, Spannungszustände oder auch nur Gleichgültigkeit, all dies soll weg aus dem Organismus oder aus der Umwelt. Insofern ist Leidenschaft, gerade auch die sexuelle, gar nicht vorstellbar ohne Aggression gegen das der Befriedigung im Wege stehende, immer auch sich in eigenen Ich-Grenzen sträubende unwillige Gegenüber, das sich, wie Balint5 es nannte, schließlich der „Eroberungsarbeit“ ergibt.
Das Neue, das durch die Aggression und Angriffslust bewirkt und erschaffen werden soll, strebt das subjektiv Bessere an.
Wer (ab)springen, wer (um)fallen kann, kann wollen und sich hingeben, braucht nicht Kasper nicht Teufel zu bleiben. Beide im übrigen sind bekannt dafür, dass sie keine Eltern und keine Kinder haben, - Kasper und Teufel haben immer nur eine Großmutter und das reicht nicht, um eine Vorstellung von der generativen Idee des Lebens zu haben.
siehe:
http://www.psychoanalyse-aktuell.de/artikel/detail/news/leidenschaftliche-aggression-al...
Zu vorsichtig zu werden ist hoch problematisch.
Liebe zärtliche Grüße 
Stefan