MS, Gene und Immunsystem (Allgemeines)

Boggy, Donnerstag, 01.02.2024, 13:42 (vor 86 Tagen)

Ich bin zum Originalartikel zum Thema Gene, MS und Jamnaja-Vöker gegangen =>

Barrie, W., Yang, Y., Irving-Pease, E.K. et al.:
Elevated genetic risk for multiple sclerosis emerged in steppe pastoralist populations,
in: Nature 625, 321–328 (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-023-06618-z

https://www.nature.com/articles/s41586-023-06618-z

In dem Artikel gibt es zunächst einmal diese Aussage:

"Die Häufigkeit der Erkrankung hängt stark von der ethnischen Zugehörigkeit und der geografischen Lage ab, wobei die höchste Prävalenz in Europa beobachtet wird (142,81 Fälle pro 100 000 Menschen); Nordeuropäer sind besonders anfällig für die Erkrankung3"
Hier geht es um die Verteilung der MS-Häufigkeit in der Welt. Grundlage der Aussage ist der MS-Atlas =>

Walton, C. et al.: Rising prevalence of multiple sclerosis worldwide: insights from the Atlas of MS, third edition, in: Mult. Scler. J. 26, 1816–1821 (2020).
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1352458520970841

In dem Artikel selbst wird die Qualität der Datenerhebung diskutiert. Ich würde mir das gerne näher ansehen, schaffe das aber jetzt nicht. Die wichtige Frage dazu, die wir hier auch diskutiert haben: wie gehen die unterschiedlichen Diagnosemöglichkeiten in unterschiedlichen Ländern (Gesundheistssystem, MRTs usw.) in die Bewertung in dem Artikel ein.

Zurück zum Ursprungsartikel:
Diese Aussage daraus gehört zur gerade angesprochenen Bewertungsfrage =>

"Die Ursprünge und Gründe für diese geografischen Unterschiede sind nur unzureichend erforscht, doch könnten solche Verzerrungen wichtige Hinweise darauf liefern, warum die Prävalenz von Autoimmunkrankheiten, einschließlich MS, in den letzten 50 Jahren weiter zugenommen hat."

Die folgende Aussage finde ich ausgesprochen spannend:

"Obwohl die Ätiologie der MS immer noch schwer fassbar ist, geht man davon aus, dass es zu Wechselwirkungen zwischen Genen und Genen sowie zwischen Genen und Umwelt kommt.
Immer mehr Beweise deuten darauf hin, dass exogene Auslöser eine Kaskade von Ereignissen in Gang setzen, an denen eine Vielzahl von Zellen und Immunwegen bei genetisch anfälligen Personen beteiligt sind und die letztlich zur Neuropathologie der MS führen können1."

Ich gehe zur dazu angegebenen Quelle (leider nur ein Abstract):

Attfield, K. E., Jensen, L. T., Kaufmann, M., Friese, M. A. & Fugger, L.: The immunology of multiple sclerosis,
in: Nat. Rev. Immunol. https://doi.org/10.1038/s41577-022-00718-z (2022).
https://www.nature.com/articles/s41577-022-00718-z

Was dort geschrieben wird, finde ich außerordentlich spannend; und ich wäre froh, wenn ich dafür eine laien-kompatible Version hätte - hab ich aber nicht:

"Neuere Studien untersuchen die Rolle von Immunzellen in verschiedenen Stadien der MS und wie sie mit Zellen des zentralen Nervensystems (ZNS) interagieren.

Die hier vorgestellten Ergebnisse stellen die Exklusivität einer antigenspezifischen Ursache in Frage und zeigen, wie scheinbar unterschiedliche Immunzelltypen gemeinsame Funktionen haben können, die die Krankheit auslösen.
Durch innovative Techniken werden neue krankheitsassoziierte Immunzellpopulationen aufgedeckt und es wird deutlich, wie entscheidend der Umweltkontext für ihren Phänotyp und ihre spätere Rolle bei der Krankheit ist. Wichtig ist, dass die Differenzierung von Immunzellen in einen pathogenen Zustand potenziell durch therapeutische Manipulation umkehrbar ist. "

Was mich ebenfalls interessiert, und worüber ich keine Informationen habe, ist die Frage: haben tatsächlich alle MS-Patienten die Genvarianten, die mit dem höheren MS-Risiko in Beziehung stehen (sollen)? Gibts dazu Untersuchungen?

Zurück zum Jamnaja-Artikel.
Dort werden tatsächlich ausführliche Informationen zu den 233 Genvarianten, die mit MS in Verbindung gebracht werden, ausgeführt. Ich nehme einen Satz heraus: "Es wird geschätzt, dass genetische Faktoren zusammengenommen etwa 30 % des gesamten Krankheitsrisikos erklären, während Umwelt- und Lebensstilfaktoren als die Hauptfaktoren für MS gelten."

Dazu wird ergänzt:
"Lebensstilfaktoren, die mit einem erhöhten MS-Risiko in Verbindung gebracht werden, wie Rauchen, Fettleibigkeit in der Jugend und Ernährung oder Darmgesundheit, sind ebenfalls geografisch unterschiedlich7. Autoimmunität könnte auch auf einen veränderten Druck durch andere Krankheitserreger zurückzuführen sein, der das empfindliche Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Stoffwechselwegen stört."

Und an dieser Stelle muß ich aufhören ...
Ich denke, da ist genug Material für weitere Nachforschungen durch interessierte Foristinnen und Foristen. Und auch Diskussionsstoff.

Gruß
Boggy

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

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