über MS sprechen und denken (Allgemeines)

Boggy, Freitag, 16.02.2024, 14:02 (vor 71 Tagen)

Sprache hat Wirkung, hat Auswirkungen, auf die Art und Weise, wie ich lebe, erlebe, wie ich mich durch die Welt bewege. Wie ich spreche, und wie ich denke - in Worten - hat Auswirkungen. Worte erzeugen Vorstellungen - Vorstellungen, innere Bilder bewirken fast gleichzeitig bestimmte Verfassungen meines Organismus auf allen Ebenen (Körper, Psyche, Geist).

Also: habe ich MS? Bin ich an MS erkrankt? Lebe ich mit MS? Kämpfe ich gegen MS? Behandle ich MS? Behandle ich meine MS? Gehe ich irgendwie mit MS um? Finde ich Wege, mit der MS zu leben? Gegen MS zu leben? Ist die MS Etwas (Böses?) in mir? Ist MS einfach Teil von mir, wie zunehmender Haarausfall? Oder ... oder ...?

Oder ist das so nebensächlich, daß man / ich / wir überhaupt keinen Gedanken darauf verwenden sollten?

Was mich betrifft, so bin ich meistens MS-krank, an MS erkrankt, oder öfter der Einfachheit halber, habe ich MS.
Ich kämpfe nicht gegen MS. Herrjeh, das fehlte noch, wo ich eh wenig Kraft habe. Ansonsten wechselt meine Einstellung zur MS (meine MS geht mir selten über die Lippen - das ist mir zu nah, zu intim; so freundlich fühle ich mich nicht; da möchte ich lieber etwas sachlichen Abstand).
Ich suche Wege mit dem, was die MS mir so an Hindernissen und Einschränkungen erschafft.
Und ich überlege, wie ich meinen Organismus (also "mich selbst") dabei unterstützen kann, möglichst gute Grundlagen zu schaffen, dafür, daß die MS nicht schneller (oder gar nicht, falls das geht) fortschreitet - im Bewußtsein, daß meine Einflußmöglichkeiten begrenzt sind, und ich bei allem, was ich tue, nicht mit Sicherheit weiß, wie wirksam es tatsächlich ist, und ob überhaupt. Weder hoffen noch nicht-hoffen; sondern tun, was geht und was mir sinnvoll erscheint. Und dann schaun wa mal.

Wie komme ich heute auf diese Thema? Mal wieder der englische Guardian:

https://www.theguardian.com//king-charles-speak-cancer-winning-losing-war-bowel-language

"Die Krankheit von King Charles soll endlich die Art und Weise ändern, wie wir über Krebs sprechen: Es geht nicht darum, einen 'Krieg' zu gewinnen oder zu verlieren.
(...)
Diese Sprache der Gewalt ist der Kern des Tabus. Die Patienten leiden nicht an Krebs, sondern "kämpfen" immer gegen ihn. Sie gehen zum Sieg oder zur Niederlage, zum "Gewinnen" oder "Verlieren" des Kampfes über. Wenn sie überleben - selten "geheilt" - bleiben das Stigma oder die Narben.
(...)
Später traf ich eine Gruppe von Krebslinguisten, die davon regelrecht besessen waren, das Tabu zu beseitigen. Der amerikanische Psychologe David Hauser plädiert seit langem für ein Ende der militärischen Sprache. (...) Kriegslust, so sagt er, kann dazu führen, dass aggressive Behandlungsstrategien übermäßig begünstigt werden und der Palliativmedizin wenig Beachtung geschenkt wird. Und das, obwohl eine solche Pflege heute oft als die beste und angenehmste Methode zur Verlängerung der Lebenserwartung gilt.

Schlimmer noch, die Sprache des Kampfes kann die Patienten stark demoralisieren, indem sie ihnen das Gefühl gibt, dass sie irgendwie Schuld an ihrem Schicksal sind. Wenn sie sterben, liegt das daran, dass sie nicht hart genug gegen den gefürchteten Feind gekämpft haben?."

Ein schönes Wochende wünscht
Boggy

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.


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