Der dritte Wunsch (Straßencafé)

W.W. @, Sonntag, 31.07.2022, 15:58 (vor 606 Tagen)

Der dritte Wunsch

Erik ist ein ganz normaler Junge. Er ist 8 Jahre alt und fährt jedes Jahr in den Ferien mit seinen Eltern an die Nordsee, Er baut liebend gerne Strandburgen, und es macht ihm Spaß, sich die Dünen herunter rollen zu lassen und er isst gern Pommes mit Mayo und panierte Wiener Schnitzel.

In diesem Jahr hat er beim Herumstrolchen jenseits der Dünen ein großes Maisfeld entdeckt, das sich zunächst wie eine Riesenmauer vor ihm auftürmte, wenn da nicht - wenn man genau hinschaute - ein halb verdeckter Zugang wäre, den sich wohl Rehe durch die Halme gebahnt haben.

Natürlich will er den Zugang erkunden, obwohl drinnen ein schwankendes Halbdunkel herrscht, an das sich seine Augen erst gewöhnen müssen. Nach links und rechts zweigen so viele Seitenwege ab, dass er sich verläuft. Er irrt herum, bis er schließlich auf eine kleine Lichtung stößt. Sie ist nicht besonders groß. vielleicht so groß wie ein großer Teppich, aber sie ist mit einer bunten Wiese bedeckt, und es gibt sogar eine kleinen Quelle, die zwischen ein paar Felsbrocken hervor sprudelt. Er trinkt das klare Wasser, und legt sich dann auf den Rücken in die Sonne, hört das beruhigende Rascheln der Maispflanzen und schläft darüber ein, weil ihn die Wanderung müde gemacht hat.

Als er aufwacht, entdeckt er hinter den Maiskolben, die ihm am Nächsten stehen, das Gesicht eines Mannes, der ihm amüsiert beim Schlafen zugesehen hat. Er scheint sehr groß zu sein, denn der Mais ist es ja auch. Obwohl er mitten drin steht, überragt er ihn um Kopfeshöhe, was aber Erik gar nicht auffällt.

"Da hast du aber ein schönes Plätzchen gefunden", spricht ihn der Mann freundlich an.
"Ja", sagt Erik, "aber eigentlich möchte ich so schnell wie möglich wieder an Meer zurück, und ich habe Hunger."

"Kein Problem", sagt der Mann und zieht eine Wurzel aus seiner Hosentasche. "Sie sieht etwas verschrumpelt aus, ist aber nahrhaft und schmeckt fabelhaft."

Er reicht sie ihm zwischen den Maisstämmen hindurch zu. Obwohl sie aussieht wie ein brauner Lederlappen, beißt Erik vorsichtig ein Stück ab, und stellt fest, dass sie sehr süß ist und wunderbar nach einem Gewürz schmeckt, das er nicht kennt.

"Und was des Ausgang betrifft", fährt der Fremde fort, "da musst du dich einfach nach der alten Pfadfinderregel richten, dass man aus jedem Labyrinth raus kommt, wenn man sich bei jeder Abzweigung strikt nach rechts hält."

Er unterbricht sich. "Oder war es links? Aber eigentlich ist das auch egal.“
Als sich Erik verabschiedet und sich auf den Weg machen will, sagt ihm der Mann noch: "Damit dir der Weg leichter fällt, darfst du dir an jeder 7. Abzweigung etwas wünschen, aber bedenke: Du hast nur drei Wünsche, und sie gelten nur hier im Feld." Dann verschwindet er im Feld.

Wie gesagt, ist Erik schon fast erwachsen, und er hat gelernt, dass Erwachsene gerne Märchen erzählen und einem gern einen Bären aufbinden. Er gibt also nicht viel darauf, was ihm der Mann gesagt hat, lässt sich aber trotzdem auf das Spiel ein. Als er an der 7. Abzweigung angekommen ist, sieht er zwischen den Halmen ein Vogelnest und denkt: „Spaßeshalber wünsche ich mir, dass zwischen den Eiern ein glitzernder Stein liegt."

Die Vogelmutter fliegt ängstlich davon und tatsächlich findet er zwischen den Eiern einen glitzernden Stein. Er nimmt sich ihn, steckt ihn sich in die Tasche und geht weiter. Als er bei der 14. Abzweigung angelangt ist, kann es nicht anders und wünscht sich, dass das Feld bald zu Ende ist, und tatsächlich liegt hinter der nächsten Biegung der Ausgang vor ihm.

Bei seinen Eltern im Strandkorb angekommen, erzählt er ihnen was er erlebt hat, aber sein Vater meint nur, der große Mann sei bestimmt ein Riese gewesen und der 3. Wunsch hätte vielleicht die Chance seines Lebens sein können, aber die habe er ja leider vertan. Und was aus dem glitzernden Stein geworden ist? Er hat eine prächtige Sandburg gebaut und ihn ganz oben auf ihre Spitze gesetzt, und als er am nächsten Morgen wieder an den Strand kam, waren Burg und Stein verschwunden.

Der dritte Wunsch

Faxe @, Sonntag, 31.07.2022, 16:16 (vor 606 Tagen) @ W.W.

In der Geschichte vermisse ich ja den Maishäcksler, natürlich hochmodern und besonders leise. rofl

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"Skynet begins to learn at a geometric rate. It becomes self-aware at 2:14 AM, Eastern time, August 29th. "

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