Warum unterhalte ich mich eigentlich? (Straßencafé)

W.W. , Dienstag, 16.08.2022, 12:27 (vor 612 Tagen)

Bei meiner Freundin Conny weiß ich es: Sie kommt alle paar Wochen, um mich über das Wichtigste zu informieren, weil sie bedauert, dass ich keine Zeitungen lese. Sie kommt um mir zu helfen und mich von irgendetwas zu überzeugen.

Jemand, den ich früher häufig im Café traf (aber jetzt nicht mehr), findet sich unterhaltsam, und ich keine viele Menschen, denen ich gern aus dem Weg gehe, die mich über die Wetteraussichten informieren und mich fragen, wie es mir geht.

Und wenn ich hier im Forum etwas schreibe? Ich muss gestehen, dass ich immer froh bin, wenn wir Leute wie Boggy, Michael und Naseweis die Ehre gehen und antworten. Warum?

In der Regel weisen sie mich darauf hin, dass ich etwas übersehen oder mich in etwas verrannt habe, oder einer Modewelle (einem vielstimmigen Chor) bzw. einem Irrtum aufgesessen bin. Ganz selten kommt es vor - ich erinnere mich gar nicht, wann es das letzte Mal war -, dass sie mir zustimmen, was auch schön ist, weil ich dann das, was ich denke, mit größerer Sicherheit vertrete (und mich nicht nur auf das verlasse, was ich in der BILD-Zeitung gelesen habe). Ich fühle mich dann wie zwei Neurone, die durch eine Hebb-Synapse miteinander verbunden sind, und die Zustimmung sorgt dafür, dass die beiden gleich 'ticken'.

Wichtig ist auch, wenn man mir sagt, dass ich mich unklar ausgedrückt habe, so dass ich mir Mühe gebe, sorgfältiger zu formulieren, und ganz, ganz wichtig ist, wenn ich merke, dass man mich missverstanden hat!

Es gibt also viele Gründe, ein Gespräch zu führen, gerade nicht nur, weil man Recht haben will, sondern ganz im Gegenteil, weil man sich mit seiner Meinung unsicher ist und sie 'abklopfen' will. Aber woran erkenne ich, dass mir eine Meinung wichtig ist? Dass er oder sie nicht auf mich 'einredet' und mich behandeln, als ob ich ein Idiot wäre.

Man unterhält sich, um zu lernen, die Welt besser zu sehen. Aberhat nicht jeder seine eigene Sicht?! Gerade das ist es,was ich als 'Relativismus' bezeichne und aus tiefster Seele bekämpfe. Nur fehlen mir gute Argumente!

W.W.