Stigma vs. neue Normsetzung? (Allgemeines)

Boggy, Mittwoch, 30.06.2021, 17:35 (vor 1002 Tagen)

Die ZIMS schreibt:
„sehen sich MS-Betroffene mit dem Stigma „Bald im Rollstuhl!“ konfrontiert.“
Und:
„MS-Betroffene waren, aus gesellschaftlicher Perspektive, nicht mehr als tüchtige Arbeiter*innen oder für die Familiengründung zu gebrauchen.
Sie hatten keine Chance, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen und wurden für ihr Umfeld zur Last. Menschen mit MS waren also wirtschaftlich und gesellschaftlich schlecht aufgestellt, also waren sie auch weniger wert. Dieses Bild herrscht bis heute in weiten Teilen der Gesellschaft vor.“

Also, ich habe deutliche Zweifel, ob das so stimmt (und weiß nicht, auf welcher Grundlage diese Aussage beruht).

Ich weiß auch nicht, ob hier wirklich „Stigmata“ vorliegen oder ob es „Vorurteile“ sind (further studies…).

Aber egal, ob „Stigma“ oder „Vorurteil“, nehmen wir der Einfachheit mal an, es wäre so, und damit ein falsches Bild der an MS erkrankten Menschen,

dann gibt es – zu meinem wiederkehrenden Ärgernis – auch eine Gegenseite, die versucht, ein neues Bild und eine neue Normsetzung zu etablieren, bei der der an MS erkrankte Mensch angeblich nun plötzlich fröhlich und leistungsfähig ist, alle Hindernisse überwindet und sich des Lebens freut. (Du mußt. Und wehe, wenn nicht ...)

Das ist dann mindestens genauso verhängnisvoll und hat üble Nebenwirkungen.
Oder?

Gruß
Boggy

--
Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

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Stigma vs. neue Normsetzung?

agno @, Mittwoch, 30.06.2021, 21:53 (vor 1002 Tagen) @ Boggy

hmm, die Pharma wird gottgleich dazu benutzt, eventuell als erdend gefühlten Rufe der menschlichen Begrenztheit, nicht nur zu ignorieren...
Nein, dieser Missbrauch des menschlichen sein wird idealisiert und als folgenlos dargestellt. Ein neues Zeitalter bricht an.
Sind wir Alten da wirklich außen vor?
agno
P.S.: Diese unendliche Dankbarkeit über diesen kleinen Rest von wunderbarem Leben, wobei der kleine Rest gerne etwas größer sein dürfte, ist meins. Kann sein dass sich mancher lieber erschießen würde und dieses "etwas" gar nicht schätzt. Ich halte diesen Maßstab für individuell. Es könnte unschön werden, da bewertend zu analysieren.

--
Weiß nicht, woher ich komm, weiß nicht, wie lang ich bleib, weiß nicht, wohin ich geh, mich wundert, dass ich glücklich bin ...

Stigma vs. neue Normsetzung?

kirstenna @, Donnerstag, 01.07.2021, 09:24 (vor 1002 Tagen) @ Boggy

„MS-Betroffene waren, aus gesellschaftlicher Perspektive, nicht mehr als tüchtige Arbeiter*innen oder für die Familiengründung zu gebrauchen.
Sie hatten keine Chance, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen und wurden für ihr Umfeld zur Last. Menschen mit MS waren also wirtschaftlich und gesellschaftlich schlecht aufgestellt, also waren sie auch weniger wert. Dieses Bild herrscht bis heute in weiten Teilen der Gesellschaft vor.“

Hallo Boggy,

ich finde das ziemlich genau auf den Punkt gebracht.

Es deckt sich mit meinen Erfahrungen.

Klar habe ich mir das als Kunstexpertin schon immer anhören müssen "brotlose + nutzlose Kunst", "Kunsthonig", "Kultur am Arbeitsplatz muss sein" aber mit der Qualifikation MS wurde deutlicher, was man über mich denkt.

Mir wird öfter vor Augen gehalten, dass in der Natur das kranke Tier dem Kreislauf entnommen wird von wohltuenden Jägern.

Als ich noch jung, reich, schön und gesund war hat man nachsichtig darüber wegsehen können.

Der Ton ist schärfer geworden, finde ich.

Und Hilfe, also wirklich echte Hilfe, habe ich noch nicht bekommen.

Und ich fürchte, das tendiert auch in Zukunft gegen Null.

Da ich ja nun auch noch ins Alter wechsele, ist die Situation mehr als prekär.

Prekär ist es schon jetzt.

Und eine Steigerung in diese Richtung ist, ja was eigentlich?

LOOOOOOOOSER könnte hier Ramstein schreien.

Klar, wenn man sich zurückzieht, merkt man es nicht so.

Es sei denn ein Phibob schreibt hier seine drögen drastischen Zeilen über nicht mehr tanzen können und "gezeichnet sein" wie im vorangegangenen Beitrag:(

Diese MS Pharma Werbung über ach so lustige MS Betroffene, die zahlreiche Kinderchen, einen harten Job vielleicht aus dem Rollstuhl heraus managen, die fröhlich in die Zukunft blicken und das Leben genießen - geschenkt. Das ist Werbung, dafür, dass sie sich eine Menge gefallen lassen müssen und im Endeffekt als Dummerchen verkauft werden.

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Stigma vs. neue Normsetzung? / danke owT

agno @, Donnerstag, 01.07.2021, 10:22 (vor 1002 Tagen) @ kirstenna

„MS-Betroffene waren, aus gesellschaftlicher Perspektive, nicht mehr als tüchtige Arbeiter*innen oder für die Familiengründung zu gebrauchen.
Sie hatten keine Chance, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen und wurden für ihr Umfeld zur Last. Menschen mit MS waren also wirtschaftlich und gesellschaftlich schlecht aufgestellt, also waren sie auch weniger wert. Dieses Bild herrscht bis heute in weiten Teilen der Gesellschaft vor.“

Hallo Boggy,

ich finde das ziemlich genau auf den Punkt gebracht.

Es deckt sich mit meinen Erfahrungen.

Klar habe ich mir das als Kunstexpertin schon immer anhören müssen "brotlose + nutzlose Kunst", "Kunsthonig", "Kultur am Arbeitsplatz muss sein" aber mit der Qualifikation MS wurde deutlicher, was man über mich denkt.

Mir wird öfter vor Augen gehalten, dass in der Natur das kranke Tier dem Kreislauf entnommen wird von wohltuenden Jägern.

Als ich noch jung, reich, schön und gesund war hat man nachsichtig darüber wegsehen können.

Der Ton ist schärfer geworden, finde ich.

Und Hilfe, also wirklich echte Hilfe, habe ich noch nicht bekommen.

Und ich fürchte, das tendiert auch in Zukunft gegen Null.

Da ich ja nun auch noch ins Alter wechsele, ist die Situation mehr als prekär.

Prekär ist es schon jetzt.

Und eine Steigerung in diese Richtung ist, ja was eigentlich?

LOOOOOOOOSER könnte hier Ramstein schreien.

Klar, wenn man sich zurückzieht, merkt man es nicht so.

Es sei denn ein Phibob schreibt hier seine drögen drastischen Zeilen über nicht mehr tanzen können und "gezeichnet sein" wie im vorangegangenen Beitrag:(

Diese MS Pharma Werbung über ach so lustige MS Betroffene, die zahlreiche Kinderchen, einen harten Job vielleicht aus dem Rollstuhl heraus managen, die fröhlich in die Zukunft blicken und das Leben genießen - geschenkt. Das ist Werbung, dafür, dass sie sich eine Menge gefallen lassen müssen und im Endeffekt als Dummerchen verkauft werden.

Danke!
LG agno
P.S.: Mann, sind die sauer, wenn man nicht die angemessene Demut, spazieren trägt.

--
Weiß nicht, woher ich komm, weiß nicht, wie lang ich bleib, weiß nicht, wohin ich geh, mich wundert, dass ich glücklich bin ...

Stigma vs. neue Normsetzung?

Boggy, Donnerstag, 01.07.2021, 10:33 (vor 1002 Tagen) @ kirstenna

„MS-Betroffene waren, aus gesellschaftlicher Perspektive, nicht mehr als tüchtige Arbeiter*innen oder für die Familiengründung zu gebrauchen.
Sie hatten keine Chance, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen und wurden für ihr Umfeld zur Last. Menschen mit MS waren also wirtschaftlich und gesellschaftlich schlecht aufgestellt, also waren sie auch weniger wert. Dieses Bild herrscht bis heute in weiten Teilen der Gesellschaft vor.“

Hallo Boggy,
ich finde das ziemlich genau auf den Punkt gebracht.
Es deckt sich mit meinen Erfahrungen.


Hallo kirstenna,

daß du diese Erfahrungen gemacht hast, ist wirklich übel.

Ich möchte gleichzeitig überlegen, ob das nun speziell für Menschen gilt, die an MS erkrankt sind, oder ob das nicht allgemeiner Menschen betrifft, die an einer lebenseinschränkenden Krankheit oder Behinderung leiden.

Du hast nun meinen Wortschatz bereichert.
Das Wort "Phibob" ist mir in meinem ganzen, relativ langen Leben noch nicht über den Weg gelaufen, und hat mich aus meiner morgendlichen Schläfrigkeit aufschrecken lassen - wobei "aufschrecken" in dem Zusammenhang vielleicht sogar die passende Vokabel ist. Wenn ich das richtig - und gar nicht so einfach - gegoogelt habe ... :-)

:-)

Gruß
Boggy

--
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Stigma vs. neue Normsetzung?

kirstenna @, Donnerstag, 01.07.2021, 21:41 (vor 1001 Tagen) @ Boggy

Sehr zu empfehlen was die lustige Socke hier geschrieben hat: dr. siri

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Stigma vs. neue Normsetzung?

naseweis ⌂ @, in meinem Paradies, Donnerstag, 01.07.2021, 21:51 (vor 1001 Tagen) @ kirstenna

Sehr zu empfehlen was die lustige Socke hier geschrieben hat: dr. siri


Ja, Dr. Siri ist klasse. :ok:

--
das Geheimnis der Medizin besteht darin,
den Patienten abzulenken,
während die Natur sich selber hilft (Voltaire)

Sisyphos hatte es auch nicht leicht

Stigma vs. neue Normsetzung?

kirstenna @, Freitag, 02.07.2021, 12:46 (vor 1000 Tagen) @ naseweis

Auf jeden Fall.

Als zutiefst straighter Wissenschaftler ist der ja überhaupt nicht auf dieser Linie.

Das änderte sich, nachdem er einen Phibob mit eigenen Händen erwürgte.

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Nachteil ?

naseweis ⌂ @, in meinem Paradies, Freitag, 02.07.2021, 12:49 (vor 1000 Tagen) @ kirstenna

Auf jeden Fall.

Als zutiefst straighter Wissenschaftler ist der ja überhaupt nicht auf dieser Linie.

Das änderte sich, nachdem er einen Phibob mit eigenen Händen erwürgte.

Ist das für uns ein Nachteil,
dass Dr. Siri Pathologe ist
und nicht Neúrologe ??? rofl

--
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den Patienten abzulenken,
während die Natur sich selber hilft (Voltaire)

Sisyphos hatte es auch nicht leicht

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